TTPVerstehen
Was ist TTP?
TTP steht für thrombotisch-thrombozytopenische Purpura. Es handelt sich um eine seltene autoimmun-vermittelte Erkrankung, die lebensbedrohlich sein kann. Sie entsteht durch eine bestimmte Fehlfunktion der Blutgerinnung.1
Vor 100 Jahren beschrieb Dr. Eli Moschcowitz erstmals die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) klinisch.
Erfahren Sie mehr über die letzten 100 Jahre in dem folgenden kurzen Video:
Der Name beschreibt die drei Hauptmerkmale der Krankheit:
Thrombotisch
Bei der Erkrankung bilden sich kleine Blutgerinnsel in den kleinsten Blutgefäßen.
Thrombozytopenisch
Die Zahl der Blutplättchen sinkt auf einen niedrigen Wert, weil die Blutplättchen bei der Bildung der kleinen Blutgerinnsel verbraucht werden.
Purpura
Es können Blutungen im ganzen Körper auftreten, z. B. Einblutungen in die Haut oder Schleimhaut, die von außen als kleine rote Flecken zu sehen sind.
Was ist der Unterschied zwischen der erworbenen und angeborenen TTP?
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Erworbene TTP (aTTP)
Das Immunsystem produziert bei aTTP fälschlicherweise Abwehrstoffe, sogenannte Antikörper, gegen das wichtige körpereigene Enzym ADAMTS13 (auch bekannt als von-Willebrand-Faktor spaltendes Enzym), welches an der Steuerung der Blutgerinnung mitwirkt.1,3,5 Dieses Enzym sorgt normalerweise dafür, dass besonders lange Formen des von-Willebrand-Faktors (vWF, ein wichtiges Eiweiß in der Blutgerinnung) in kleinere Stücke geschnitten werden.1,3,5
Warum sich bei Menschen mit solchen Antikörpern plötzlich eine aTTP entwickelt, ist nicht bekannt. Verschiedene Erkrankungen oder Behandlungen werden in Zusammenhang mit aTTP aber immer wieder beobachtet und könnten eine Rolle als mögliche Auslöser spielen:7
- Bakterielle Infektionen
- Autoimmunerkrankungen (besonders systemischer Lupus erythematodes (SLE), Antiphospholipid-Syndrom, Gougerot-Sjögren-Syndrom)
- Medikamente
- Schwangerschaft
- HIV-Infektion
- Bauchspeicheldrüsenentzündung
- Krebs
- Organtransplantation
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Angeborene TTP (cTTP)
Die Ursache der cTTP, auch erbliche TTP, ist genetisch: Hierbei ist das Gen, das für die Herstellung des Enzyms ADAMTS13 zuständig ist, defekt, so dass kein funktionierendes ADAMTS13-Enzym gebildet werden kann.3,11,12 Beim Fehlen dieses Enzyms können die langen Formen des vWF nicht zerlegt werden.
Menschen besitzen einen doppelten Satz an Erbinformationen (Chromosomen), der sich aus dem Chromosomensatz der Mutter und des Vaters zusammensetzt. Auf diesen Chromosomen befinden sich die Gene, die für verschieden Proteine (Eiweiße) und damit auch für Enzyme, wie ADAMTS13, kodieren. Jeder Mensch hat daher zwei Versionen des ADAMTS13-Gens. Trägt ein Mensch nur ein fehlerhaftes ADAMTS13-Gen, zeigt er keine Symptome.
Nur wenn Menschen zwei Kopien des fehlerhaften Gens in sich tragen, je ein Gen von jedem Elternteil, kommt die cTTP zur Ausprägung. Auch bei der cTTP ist nicht geklärt, was eine akute TTP-Episode auslöst: Manche Patienten zeigen Symptome bei der Geburt, während andere bis zum Erwachsenenalter, bei Frauen häufig bis zur ersten Schwangerschaft, keine Symptome haben.11,12
Die aTTP ist häufiger als cTTP und macht etwa 95 % aller TTP-Fälle aus.4
Wie entsteht die erworbene TTP (aTTP)?
Das Immunsystem produziert bei aTTP fälschlicherweise Abwehrstoffe, sogenannte Antikörper, gegen das wichtige körpereigene Enzym ADAMTS13 (auch bekannt als von-Willebrand-Faktor spaltendes Enzym), welches an der Steuerung der Blutgerinnung mitwirkt.1,3,5,7
Dieses Enzym sorgt normalerweise dafür, dass besonders lange Formen des von-Willebrand-Faktors (vWF, ein wichtiges Eiweiß in der Blutgerinnung) in kleinere Stücke geschnitten werden. An die langen vWF-Eiweiße können sich bei aTTP vermehrt Blutplättchen, sogenannte Thrombozyten, anlagern und es kann zur Bildung vieler kleiner Blutgerinnsel (Mikrothromben), vor allem in den kleinen Blutgefäßen, kommen.1,3,5,7
Durch die Bildung von Gerinnseln in den Gefäßen werden die Organe nicht ausreichend mit Blut und damit mit Sauerstoff versorgt. Dadurch kommt es zu Schäden in Organen, wie dem Gehirn, dem Herz, dem Magen-Darm-Trakt oder den Nieren.1–3
Die TTP kann sich bei den Betroffenen auf ganz unterschiedliche Weise, d. h. mit verschiedenen Symptomen, zeigen. Das können unter anderem Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Verwirrtheit sowie Blutergüsse oder kleine rote Flecken in der Haut sein, aber auch viele andere Symptome sind möglich.
Häufigkeit und Auftreten
TTP ist eine seltene Erkrankung. In Europa treten etwa 1,5 bis 6 Fälle je 1 Million Einwohner pro Jahr auf.4,5 Die aTTP verläuft häufig schubförmig. Daher besteht ein lebenslanges Risiko, erneut zu erkranken. Oft treten Schübe binnen 1-2 Jahren nach der ersten Episode auf.1,8
Jährliche Auftreten in Europa:
1,5 – 6Fälle pro 1 Million Einwohner pro Jahr5
Fälle in Deutschland:
ca. 170 pro Jahr5
Durchschnittsalter:
ca. 40 Jahre
beim ersten Auftreten der Erkrankung5
Frauen sind
2,5 – 3,5 x
häufiger betroffen als Männer1
aTTP betrifft hauptsächlich Erwachsene:6
ca. 97 % Erwachsene
ca. 3 % Kinder
Entstehung und Krankheitsverlauf
An der Entstehung einer TTP sind verschiedene Bestandteile des Blutes beteiligt:
Blutplättchen
(auch Thrombozyten genannt)
Von-Willebrand-Faktor
(vWF, ein Eiweiß)
ADAMTS13
(ein Enzym mit einer „Scheren“-Funktion)
Rote Blutkörperchen
(auch Erythrozyten genannt)
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Abbildung: Das Enzym ADAMTS13 zerschneidet vWF-Moleküle in kleinere Abschnitte
Quelle: Sanofi-Aventis Deutschland GmbHBlutplättchen (Thrombozyten) sind wichtige Bestandteile des Blutes. Sie sind unter anderem dafür verantwortlich, Wunden durch die gezielte Bildung eines Blutgerinnsels zu verschließen und Blutungen zu stoppen.
Ein Eiweiß im Blutplasma unterstützt die Blutplättchen dabei: der von-Willebrand-Faktor (vWF). Den vWF kann man sich als klebrigen Faden vorstellen, um den herum sich die Blutplättchen anlagern, so dass sich ein Gerinnsel bzw. Propf bilden kann, der die Wunde verschließt.
Der vWF wird normalerweise von einem Enzym im Blut, dem ADAMTS13, in kleinere Stücke gespalten, um eine unkontrollierte Bildung von Blutgerinnseln zu vermeiden. -
Abbildung: Blutplättchen und große vWF-Moleküle bilden Blutgerinnsel
Quelle: Sanofi-Aventis Deutschland GmbHArbeitet dieses Enzym nicht richtig oder ist es nicht in ausreichender Menge vorhanden, reichern sich große vWF-Moleküle im Blut an, man spricht auch von ultralangen von-Willebrand-Faktor (vWF)-Multimeren. Diese lagern unter bestimmten Bedingungen besonders viele Blutplättchen an – auch wenn keine Verletzung besteht.
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Abbildung: Das Enzym ADAMTS13 zerschneidet vWF-Moleküle in kleinere Abschnitte
Quelle: Sanofi-Aventis Deutschland GmbHSo können sich spontan kleine Blutgerinnsel im ganzen Körper bilden, die den Blutfluss in Organen, wie z.B. das Gehirn, das Herz oder die Nieren behindern.
Da bei der Bildung dieser Gerinnsel viele Blutplättchen verbraucht werden, sinkt die Zahl der Blutplättchen im Blut. Das nennt man Thrombozytopenie (oder auch Thrombopenie). Die Folge können Blutungen im Inneren des Körpers oder in der Haut sein.
Außerdem können die kleinen Blutgerinnsel kleinere Blutgefäße verengen und die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) können beim Passieren dieser verengten Gefäße beschädigt und zerstört werden (dies bezeichnet man auch als Hämolyse). Die Zerstörung der roten Blutkörperchen führt zu einer Blutarmut (Anämie). Das führt zu einer sogenannten hämolytischen Anämie. In der Folge erhalten die Organe des Körpers nicht genug Sauerstoff, da die roten Blutkörperchen Sauerstoff durch den Körper transportieren: Je nach betroffenem Organ können z. B. Gelbsucht, Verwirrtheit, Schwäche oder Erschöpfung unspezifische Anzeichen für eine akute TTP sein.1,3 Mehr dazu unter dem Abschnitt Symptome.
Ihr nächstes Kompetenzzentrum
Eine schnelle Diagnose und ein früher Therapiebeginn bei TTP sind sehr wichtig.3
In ganz Deutschland gibt es spezialisierte Kompetenzzentren, in denen sich Experten mit der Erkrankung auskennen und
über Erfahrung in der Behandlung der aTTP verfügen. Eine Zusammenstellung finden Sie hier:
Diese Liste von spezialisierten Kliniken bzw. Zentren ist nicht abschließend. Bislang nicht aufgeführte Zentren können jederzeit ergänzt werden.
Finden Sie hier weitere Themen
Symptome
Die TTP kann sich mit ganz unterschiedlichen Symptomen äußern. Das können unter anderem Fieber, Müdigkeit oder kleine rote Flecken in der Haut sein.1–3
Diagnose und Therapie
Eine TTP-Episode ist ein medizinischer Notfall. Eine schnelle Diagnose und ein früher Therapiebeginn können
Leben retten.1–3
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- Gebrauchsinformation, Stand: April 2023
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